Yoga-Irrtümer #2: Wer sich nur genug anstrengt, meistert jede Asana

Wir Menschen lieben es, uns Ziele zu setzen. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, denn nichts verleiht uns mehr Durchhaltevermögen und Energie als eine Vision, zu der es uns hinzieht. Im Yoga sollten wir allerdings die wahren Ziele nicht aus den Augen verlieren. Und die haben wenig damit zu tun, alle Körperübungen zu beherrschen

Yoga-Irrtümer: Anstrengung

Wenn man sich unter Yogis so umhört, fällt allerdings auf, dass immer öfter das Ziel nicht „Samadhi“, „Erleuchtung“ oder „Geistesruhe“ heißt, sondern „Hanumanasana“, „Yoganidrasana“ oder „Adho Mukha Vrksasana“. Wir träumen davon uns grazil in den Spagat sinken zu lassen, lässig die Füße hinter dem Kopf zu verschränken oder im Handstand genauso sicher zu stehen wie auf unseren Füßen. Diverse Challenges (Detox! Bikini!) vermitteln uns den Eindruck, dass es eben darum im Yoga geht: Unsere „limits“ zu „pushen“, weiter und tiefer zu kommen, Asanas zu meistern. Wir meinen, wenn wir nur hart genug an uns arbeiten, dann können wir irgendwann unseren Körper in jede beliebige Form pressen.

Leider führt das häufig zu falschem Ehrgeiz oder gar Verletzungen. Yogisch dagegen wäre, die eigenen Grenzen und Möglichkeiten liebevoll zu erforschen und sanft zu erweitern.

Wähle jene Asanas, die zu dir passen

In keiner wichtigen Yogaschrift steht: Wer alle Asanas meistert, wird unweigerlich Erleuchtung finden. Ganz im Gegenteil – A.G. Mohan, einer der letzten lebenden Schüler des großen Krishnamacharya, sagte in einem seiner Vorträge ganz deutlich:

„Die Vorstellung, dass wir alle Asanas praktizieren sollten, ist fundamental falsch. Übe jene, die dich dabei unterstützen zu sitzen und zu meditieren.“

Er empfahl jene zwei bis drei Körperübungen zu wählen und zu praktizieren, die zu der jeweiligen physischen und psychischen Verfassung passen und einen stabilen, aufrechten Sitz während der Meditation ermöglichen – mehr nicht.

Die individuelle Anatomie respektieren

Es ist eine besondere Qualität von Yoga, dass jeder Mensch darin sein ganz persönliches, ganzheitliches Gleichgewicht finden kann. Dazu gehört auch, dass wir anerkennen, dass wir ganz unterschiedliche anatomische Voraussetzungen mitbringen. Wenn wir eine Haltung trotz korrektem, kontinuierlichem Üben nicht einnehmen können, dann kann das an unserem individuellen Knochenbau liegen. Wo uns nicht Spannung, sondern Kompression (Knochen auf Knochen) begrenzt, können wir nicht weitergehen ohne uns zu schaden.

Yin Yoga-Lehrern wie Paul Grilley und Bernie Clark ist es zu verdanken, dass mehr und mehr Yogis verstehen, dass eben nicht jeder Körper alles kann. Es gibt kein allgemeines Alignment, das für alle korrekt ist, weil wir nun mal einzigartig sind. Manche Menschen können niemals in den Lotussitz oder Spagat kommen ohne sich zu verletzen. Einige berühren im Dreieck mühelos mit der Hand den Boden, während andere aufgrund der Struktur ihres Hüftgelenks stets einen Block verwenden sollten. Das Endziel ist ohnehin nicht die Form – sondern die Art wie wir in einer Haltung verweilen und die Aufmerksamkeit, die wir in unser Üben bringen.

Anstatt also Perfektion oder Gleichförmigkeit auf der Yogamatte anzustreben, sollten wir unsere Einzigartigkeit feiern und würdigen. Und nicht aus den Augen verlieren, dass die Körperübungen im Yoga nur eine Stufe auf dem Weg zur Meditation sind.

 

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