Pranayama richtig üben: 5 Tipps für deine Praxis

Nach Patanjali ist das Ziel der Yogapraxis, die Wellenbewegungen des Geistes zu beruhigen. Eines der wichtigsten Hilfsmittel auf dem Weg dahin ist unser Atem. Denn durch ihn können wir auf unseren Geist und unser Nervensystem einwirken. Eine ruhige, gleichmäßige, tiefe Atmung führt uns in die Entspannung und allmählich in die Meditation, in der wir tiefen Frieden und Verbundenheit erfahren können.

Leider können wir mit einer ungünstigen Atempraxis auch negative Effekte erzielen. Wenn wir hektisch und unregelmäßig atmen oder während unserer Übungspraxis aus der Puste kommen, dann ist das kontraproduktiv. Wir lösen damit eine Stressreaktion unseres Körpers aus und bringen Unruhe in unser feinabgestimmtes System. Wenn du also mit Pranayama beginnen möchtest, dann lege ich dir folgende fünf Punkte ans Herz:

1. Schließe Freundschaft mit deinem Atem

In den alten Yogaschriften wird der erste Schritt der Praxis als Prakrt-Pranayama bezeichnet. Dabei beginnt der Übende zunächst einfach damit, seinen Atem natürlich fließen zu lassen und ihn dabei achtsam zu beobachten – so wie er ist und ohne ihn zu beeinflussen. Lass einfach deine Aufmerksamkeit auf deiner Atmung ruhen: Wie fließt der Atem? Wie ist die Ein-, wie die Ausatmung? Welche Bereiche des Körpers spürst du dabei? Wie nimmst du das Ende der Ein- und Ausatmung wahr? Fühlst du dich dabei wohl? Oder bist du angespannt und der Rhythmus ist gestört?

Schließe allmählich Freundschaft mit deinem Atem, lausche ihm, tanze mit ihm. Dadurch wird sein Rhythmus ganz von selbst ruhiger und gleichmäßiger werden. Erst wenn du das eine Weile praktizierst hast, solltest du zum zweiten Schritt der Pranayama-Praxis übergehen und verschiedene Techniken wie die Ujjayi-Atmung, die Wechselatmung oder Brahmari einsetzen, die deinen Atem weiter verlangsamen und dich in die Stille und Meditation bringen.

2. Hör auf den Atem kontrollieren zu wollen

Häufig hört oder liest man, dass Pranayama bedeutet, den Atem zu kontrollieren. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass sich der Begriff aus den Wörtern „prana“ (Lebensenergie) und „ayama“ (kontrollieren, erweitern) zusammensetzt. Allerdings sollte man sich von dieser Vorstellung in der Praxis etwas lösen. Denn willst du einen guten Freund wirklich kontrollieren? Das klingt für mich nach Härte, Disziplinierung und Kampf. Dabei kannst du auch Schaden anrichten.

Stattdessen solltest du erst versuchen, dir deines Atems gewahr zu werden (siehe 1. Punkt). Dann kannst du ganz sanft Einfluss nehmen und dich dabei auf ein bestimmtes Ziel hin ausrichten. Bleib dabei aber immer behutsam und freundlich. Versuche Pranayama mühelos zu üben – ohne Ehrgeiz, ohne Perfektionismus, ohne Kontrollbedürfnis.

Pranayama richtig üben

3. Beobachte die Wirkung deiner Praxis

Im Yoga-Sutra steht, dass dein Atem durch die Praxis „dirgha“ – lang – und „sukshma“ – subtil, fein, mühelos – werden soll. So kannst du stets recht einfach feststellen, ob du auf dem richtigen Weg bist. Wenn dir während des Übens die Luft ausgeht, Anstrengung oder Druck entsteht, du beginnst, schneller zu atmen oder du dich danach erschöpft fühlst, dann machst du etwas falsch. Vielleicht willst du zu schnell zu viel erreichen? Vielleicht klappt es etwas sanfter besser? Möglicherweise solltest du auch noch etwas länger bei der Atembeobachtung bleiben und den Atemrhythmus noch weiter zur Ruhe kommen lassen.

4. Pranayama – Enjoy the ride

Lass dir Zeit. Wenn es um den Atem geht, lässt sich nichts erzwingen und es gibt auch wenig zu tun. Deine Lebenskraft wird ganz von selbst wieder intensiver zu fließen beginnen und die Atmung öffnet und weitet sich langsam wie eine Blüte. Du kannst diesen Prozess einfach beobachten und genießen. Es gibt eine ganze Reihe von Bildern, die dich dabei unterstützen können. Am besten wählst du jenes, das bei dir am ehesten angenehme Assoziationen auslöst.

Pranayama richtig üben

Hier ein paar Beispiele:

  • Wellen: Häufig werden Ein- und Ausatmung mit Meereswellen verglichen. Sie kommen und gehen, in einem ganz natürlichen Rhythmus, der auf viele beruhigend wirkt. Wenn dir die Vorstellung gefällt, dann lasse in dir dieses Bild entstehen während du übst. Urlaubsfeeling inklusive!
  • Zärtlichkeit: Wenn du mit deinem Atem eine freundliche, sanfte Verbindung eingehst, dann kannst du dir die Ein- und Ausatmung auch wie ein zärtliches inneres Streicheln vorstellen. Spür wie die Luft zart und reibungslos durch deinen Körper fließt und dir dabei ein wohliges Gefühl beschert. So entsteht vielleicht eine liebevolle innere Haltung voller Selbstmitgefühl.
  • Fülle & Leere: Wenn du die Einatmung nicht forcierst, sondern einfach passiv geschehen lässt, kannst du vielleicht erfahren, dass jeder Atemzug ein Geschenk ist, das du nur zu empfangen brauchst. Es nährt dich und erfüllt dich mit frischer Lebenskraft. Immer und immer wieder. Mit der Ausatmung kannst du alles Loslassen, was dir nicht dienlich ist. Leicht, frei und leer werden. Und wenn alle Luft aus dir herausgeflossen ist – in dem kurzen Moment der Atempause – kannst du vielleicht eine köstliche Stille wahrnehmen. Dann beginnt der Zyklus erneut.

5. Dankbarkeit kultivieren

Dein Atem ist dein treuester Begleiter: Er ist seit deiner Geburt bei dir und bleibt bis zum Schluss. In stressigen, schwierigen, sorgenvollen Momenten ist er dein zuverlässiger Anker. Wenn du es möchtest, reicht er dir jederzeit die Hand und bringt dich zur Ruhe. Selbst wenn du ihn nicht beachtest, hält er unermüdlich an seinem Rhythmus fest, der dein Überleben sichert und in jedem Moment ganz fein abgestimmt wird auf deine aktuelle Verfassung.
Darüber hinaus ist dein Atem Ausdruck der Lebenskraft, die durch dich hindurchfließt und dich zu einem Teil eines universellen Ganzen macht. Vielleicht kannst du ihm dafür gelegentlich ein klein wenig Dankbarkeit und Achtung schenken.

Ich wünsche dir viel Freude beim Tanz mit deinem Atem!

Dazu empfehlen wir: